10.02.2025

Web-Accessibility-Regeln WCAG verständlich erklärt

Die erste Hürde auf dem Weg zur Barrierefreiheit stellt das Verstehen der WCAG Accessibility Guidlines dar. Wir haben sie in eine verständliche Form übersetzt (inklusive Download).

Die Web Content Accessibility Guidelines

 

Die Web Content Accessibility Guidelines (kurz: WCAG) sind ein Regelwerk für den Aufbau barrierefreier Internetangebote, das in seiner Version 2.1 für alle kommerziellen und öffentlichen Anbieter von Inhalten oder Diensten in der Europäischen Union verbindlich ist. Die WCAG wurden von dem World Wide Web Consortium (W3C), ein Gremium zur Standartdisierung, ausgearbeitet.

Gesetzesänderung ab Juni 2025

Ab Juni 2025 können Anbieter, die sich nicht an diese Standards halten mit schweren Sanktionen belegt werden. Siehe dazu unseren Beitrag zum European Accessibility Act.

Schwer verständlich

Das Verständnis und die Anwendbarkeit der WCAG Barrierefreiheits-Regeln stellen leider selbst eine Hürde dar. Sie sind aus juristischer Perspektive formuliert und NICHT in der Absicht, möglichst verständlich zu sein. So kommt es, dass viele Designer:innen und Entwickler:innen um das Thema «Barrierefreiheit» einen grossen Bogen machen und sich nur notgedrungen damit auseinandersetzen.

Zwar gibt es eine Vielzahl einführender Artikel, die die Grundprinzipien der Barrierefreiheit plausibel erklären, aber wer eine Website an den offiziellen Web Accessibility Standards ausrichten möchte, kommt um ein genaues Verständnis der WCAG nicht herum. Ein Selbststudium ist demnach unumgänglich, aber aufgrund der Struktur und der Semantik stellt sich dieses sehr zeitaufwendig und spröde dar.

Irreführende Wortwahl

Um die Inhalte zu verstehen, muss sehr häufig auf ergänzende Beispiele, Erläuterungen und Querverweise zurückgegriffen werden, so dass schnell der Faden verloren geht. Auch die Wortwahl der WCAG ist gewöhnungsbedürftig. So wird beispielsweise das Wort «Mechanismus» im Sinne von «technisch möglich» verwendet oder die Bezeichnung «Überfahren mit dem Zeiger» für den «Mouseover-Effekt» genutzt.

Jetzt Downloaden: Alle 86 WCAG-Erfolgskriterien in verständlicher Form

Zum Download

WCAG 2.2 - in verständlicher Form

Wir sind der Meinung, dass die Barrierefreiheit eines Projektes nicht an den schwer verständlichen Richtlinien der W3C scheitern darf. Deshalb haben wir mit Hilfe moderner KI-Tools und viel Recherche eine verständliche deutsche Übersetzung der aktuellen WCAG 2.2 Richtlinien erarbeitet.

Wie sind wir vorgegangen?

  1. Wir haben komplizierte Satzstrukturen vereinfacht und verschachtelte Nebensätze, sofern möglich, in mehrere Einzelsätze aufgeteilt.
  2. Wo erläuternde Beispiele abstrakte Anforderungen veranschaulichen, haben wir diese direkt an den entsprechenden Stellen eingefügt, ohne Querverweisen folgen zu müssen.
  3. Wir haben die Abschnitte jedes Kapitels neu strukturiert, indem wir alle Richtlinien, die zu einer Konformitätsstufe gehören, nacheinander aufgeführt haben, was ebenfalls der Übersichtlichkeit dient.
  4. Wir haben viele abstrakte Begriffe, die in der WCAG möglichst technologiefrei gewählt worden sind, durch verständlichere, umgangssprachliche Begriffe ersetzt - aus dem «Zeiger» wird bei uns die «Maus» aus «Mechanismus» «Möglichkeit» u.v.m.

Drei Beispiele zur Veranschaulichung

  • Beispiel 1: Inhalte durch Mousover
    Original

    Wenn durch das Überfahren mit dem Zeiger oder durch Tastaturfokus zusätzlicher Inhalt sichtbar wird, der anschliessend bei Entfernen des Zeigers oder des Tastaturfokus wieder ausgeblendet wird, muss folgendes zutreffen.

    Es gibt einen Mechanismus, um den zusätzlichen Inhalt zu verwerfen, ohne den Zeiger oder den Tastaturfokus zu bewegen.

    Vereinfachte Form

    Wenn auf einer Website zusätzliche Inhalte durch Hover oder Focus (beispielsweise in Form von DropDowns, Tooltips oder modale Popups) eingeblendet werden, dann sollten diese zusätzlichen Inhalte nachfolgende Anforderungen entsprechen.

    Es muss eine Möglichkeit geben, diesen zusätzlichen Inhalt zu schliessen, ohne den Mauszeiger bzw. den Tastaturfokus bewegen zu müssen.

  • Beispiel 2: Tastaturbedienung
    Original

    Alle Funktionalitäten des Inhalts sind durch eine Tastaturschnittstelle bedienbar, ausser wenn die zugrunde liegende Funktion Eingaben verlangt, die vom Pfad der Bewegung des Benutzers und nicht nur von den Endpunkten abhängig sind.

    Vereinfachte Form

    Alles, was auf der Website getan werden kann (Links anklicken, Formulare ausfüllen, Videos abspielen etc.), muss allein mit der Tastatur bedienbar sein. Die einzige Ausnahme bilden Funktionen, die zwingend eine «Mausbewegung» benötigen, um korrekt ausgeführt zu werden.

  • Beispiel 3: Überspringen von wiederholten Inhalten
    Original

    Es gibt einen Mechanismus, um Inhaltsblöcke zu umgehen, die auf verschiedenen Webseiten wiederholt werden.

    Vereinfachte Form

    Website-Nutzende sollen in der Lage sein, schnell zum Hauptinhalt einer Seite zu gelangen, ohne sich durch Menüelemente klicken zu müssen, die sich auf jedem Seitenanfang wiederholen.

Insgesamt gibt es 86 dieser Richtlinien zur barrierefreien Gestaltung von Webseiten. Eine Übersetzung in vereinfachter Form finden Sie in unserem PDF, welches wir kostenlos zur Verfügung stellen. Unsere «Übersetzung» ist nicht rechtlich verbindlich.

Alle 86 WCAG-Richtlinien in einfacher Form

Über den Autoren

Thomas Sokolowski ist Diplom-Designer und studierte «Visuelle Kommunikation» an der Fachhochschule Hildesheim/Holzminden. Seit mehr als 15 Jahren ist er in den Bereichen Interaction und User Experience Design tätig. Zu seinen beruflichen Schwerpunkten gehören neben inklusivem und barrierefreiem Design auch die Konzeption und Umsetzung von Designsystemen.