Es gibt Schriftarten, die nicht für Designpreise entwickelt wurden, sondern die das Lesen messbar erleichtern sollen, insbesondere für Menschen mit besonderen Leseanforderungen. Einer dieser Schriftarten ist Lexend. Eine Open-Source-Schrift, die gezielt auf die Bedürfnisse von Menschen mit Leseschwierigkeiten eingeht und gleichzeitig das Lesen für alle erleichtert.
Was steckt hinter der Schrift und warum wurde sie entwickelt?
Lexend ist eine digitale Schriftfamilie, die entwickelt wurde, um das Lesen einfacher und angenehmer zu machen besonders für Menschen mit Dyslexie, Legasthenie oder AD(H)S.
Die Idee stammt von der Lerntherapeutin Bonnie Shaver-Troup, die erkannte, dass viele Leseschwierigkeiten nicht auf fehlende Intelligenz zurückzuführen sind, sondern auf die visuelle Darstellung von Text. Sie experimentierte mit Abständen, Formen und Grössen und stellte fest, dass kleine typografische Anpassungen grosse Wirkung zeigen können.
Im Jahr 2000 entstand die erste Version von Lexend. Heute gibt es sie als variable Schrift, bei der sich Schriftbreite und Zeichenabstände individuell anpassen lassen ganz so, wie man bei einer Brille die Stärke einstellt.
Der Name setzt sich aus dem lateinischen «legere» (lesen) und der Endung «-end» zusammen. Lexend soll das Lesen in Gang bringen.
Hier ein Vergleich mit der Schriftart Times New Roman

Was ist Legasthenie?
Legasthenie ist eine Lese- und Rechtschreibschwäche. Betroffene haben Mühe, Buchstaben und Laute richtig zu erkennen, zu schreiben oder zu lesen. Ihre Intelligenz ist dabei nicht geringer als bei Menschen ohne Legasthenie.
Legasthenie ist keine Krankheit, sondern eine besondere Art, Sprache zu verarbeiten. Mit Unterstützung und passenden Hilfsmitteln kann Lesen und Schreiben trotzdem gut gelingen.
Hat Lexend tatsächlich positive Lese-Eigenschaften?
Ja und zwar messbar. Studien zeigen, dass Leserinnen und Leser mit der Schrift Lexend Texte schneller, genauer und mit weniger Aufwand erfassen können. Das gilt besonders für Menschen mit Leseschwierigkeiten, aber auch für geübte Leserinnen und Leser, die müde oder gestresst sind.

Quelle: Lexend.com
Die Lerntherapeutin Bonnie Shaver-Troup fand heraus, dass typografische Anpassungen wie grössere Abstände, klarere Buchstabenformen oder längere Ober- und Unterlängen das Lesen deutlich erleichtern können. In einem Vergleichstest mit Schulkindern erreichten jene, die Lexend statt Times New Roman lasen, signifikant höhere WCPM-Werte (words correct per minute). Auch das Textverständnis und die Konzentration verbesserten sich.
Was Lexend besonders macht:
- Grosszügige Buchstabenabstände reduzieren visuelle Überlagerung
- Klare, serifenlose Buchstabenformen minimieren Verwechslungen (z. B. «b»/«d»)
- Längere Buchstabenstriche und höhere Zeilenabstände verhindern das Verlieren der Leseposition
- Auch Satzzeichen sind grösser und besser lesbar
Ein gutes Beispiel für die vereinfachte Buchstabenform ist das «a». In vielen Schriftarten wie z.B. bei Arial (siehe Beispiel unten) wird ein sogenanntes doppelstöckiges a verwendet. Diese Form ist typografisch zwar traditionell und elegant, für viele Leserinnen und Leser aber schwerer zu erkennen, besonders bei schneller oder unsicherer Wahrnehmung.
Lexend setzt bewusst auf ein einfaches, einstöckiges a. Diese Form ähnelt dem Buchstaben, wie er in der Handschrift gelernt wird, und ist dadurch vertrauter und leichter zu erkennen – vor allem in Kombination mit anderen klar gezeichneten Buchstaben.
Solche scheinbar kleinen Unterschiede haben grosse Wirkung: Sie reduzieren Verwechslungen, steigern das Lesetempo und verringern die kognitive Belastung beim Lesen. Gerade bei Leseschwächen zählt jede Vereinfachung und das «a» ist nur ein Beispiel von vielen in Lexends durchdachtem Design.

Lexend ist zudem als variable Schrift verfügbar. Nutzerinnen und Nutzer können selbst bestimmen, wie eng oder weit der Text gesetzt wird. Dieser personalisierbare Ansatz erinnert an eine Brille, deren Stärke individuell angepasst wird.
Ob im Alltag, in der Schule oder auf Websites. Lexend hilft den Zugang zu Texten zu erleichtern und zwar für alle und nicht nur für Betroffene.

Fazit: Lesbarkeit ist gestaltbar
Lexend zeigt, wie gezielte Typografie das Lesen spürbar erleichtern kann. Mit grosszügigen Abständen, klaren Buchstabenformen und anpassbarer Schriftweite reduziert die Schrift visuelle Reize und verbessert den Lesefluss.
Studien belegen: Wer mit Lexend liest, liest oft schneller, genauer und mit weniger Anstrengung unabhängig davon, ob eine Leseschwäche vorliegt oder nicht.
Lexend macht deutlich: Schrift ist nicht nur eine Frage der Gestaltung, sondern auch ein Zugang zu Informationen. Und dieser Zugang sollte möglichst vielen Menschen offenstehen.
Über den Autor:
Luis Shaw arbeitet als Interactive Media Designer bei Snowflake Productions GmbH. Er interessiert sich für Gestaltung, Fotografie und neue Medien.